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Eine kleine Weihnachtsgeschichte der Eisenbahn

### Weihnachten und die Eisenbahn durch die Jahrhunderte in Deutschland


Weihnachten und die Eisenbahn – zwei Elemente, die auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben, sind doch tief in der deutschen Kulturgeschichte miteinander verwoben. Seit dem 19. Jahrhundert spielte die Eisenbahn eine entscheidende Rolle in der Art und Weise, wie Menschen in Deutschland die Weihnachtszeit erlebten und feierten. Von der Beförderung von Weihnachtsbäumen und Geschenken bis hin zur Ermöglichung von Familienzusammenkünften – die Eisenbahn hat das Weihnachtsfest auf vielfältige Weise beeinflusst.


#### Die Anfänge: Weihnachten im Zeitalter der Dampflokomotive


Die ersten Eisenbahnstrecken Deutschlands im 19. Jahrhundert, wie die Berlin-Potsdamer Bahn (1838) oder die Leipzig-Dresdner Bahn (1839), brachten eine neue Mobilität in das Land. Beide Strecken gelten als Meilensteine der deutschen Eisenbahngeschichte: Die Berlin-Potsdamer Bahn war die erste Eisenbahnstrecke Preußens, während die Leipzig-Dresdner Bahn als erste Fernstrecke Deutschlands wichtige Wirtschaftszentren verband. Zu Weihnachten wurden diese neuen Transportmöglichkeiten schnell für die Verbreitung von Traditionen genutzt. Der Weihnachtsbaum, der im 19. Jahrhundert an Popularität gewann, wurde häufig aus den Wäldern transportiert, die sich oft weit entfernt von den Städten befanden. Die Eisenbahn ermöglichte es, diese Bäume in großer Zahl in die urbanen Zentren zu bringen, wo sie in Häusern, Kirchen und öffentlichen Plätzen aufgestellt wurden.


Auch der Weihnachtsmarkt, der in deutschen Städten eine lange Tradition hat, profitierte von der Eisenbahn. Händler und Handwerker konnten ihre Waren aus entfernten Regionen transportieren, während Besucher aus umliegenden Dörfern und Städten mit dem Zug anreisten, um die festlichen Atmosphäre zu genießen. Dies förderte nicht nur den Handel, sondern auch den kulturellen Austausch zwischen den Regionen.


#### Die Reichsbahn und Weihnachten in der Weimarer Republik


In der Weimarer Republik (1919–1933) wurde die Eisenbahn zunehmend ein Symbol des Zusammenhalts in schwierigen Zeiten. Weihnachten wurde in dieser Periode oft von wirtschaftlichen Sorgen und politischer Instabilität überschattet. Dennoch war die Eisenbahn ein Mittel, um den Menschen das Fest zu erleichtern. Spezielle Weihnachtszüge wurden eingerichtet, um Familien zusammenzubringen, die durch die Mobilität der Nachkriegszeit häufig über große Entfernungen verstreut waren.


Die Deutsche Reichsbahn spielte auch eine Rolle beim Transport von Lebensmitteln und Geschenken. Historische Aufzeichnungen aus der Weimarer Zeit, wie etwa Transportberichte der Reichsbahn, belegen, dass spezielle Güterzüge eingesetzt wurden, um Märkte und Geschäfte in der Weihnachtszeit rechtzeitig mit Waren zu beliefern. Viele Unternehmen nutzten die Eisenbahn, um ihre Waren rechtzeitig vor Weihnachten zu liefern, sodass die Geschäfte gefüllt waren und die Menschen ihre festlichen Einkäufe machen konnten. Zeitungen aus dieser Zeit berichteten über die Massen von Reisenden, die sich an Bahnhöfen versammelten, um in die Heimat zu fahren oder ihre Liebsten abzuholen.


#### Weihnachten im Zeitalter der Elektrifizierung


Mit der Elektrifizierung der Eisenbahn in den 1920er Jahren begann eine neue Ära des Reisens. So wurden bis 1930 zahlreiche Strecken elektrifiziert, darunter die Berliner Stadtbahn und Teile der Vorortnetze. Der Einsatz von Gleichstromsystemen und speziell entwickelten Elektrolokomotiven ermöglichte höhere Geschwindigkeiten und reduzierte Betriebskosten erheblich. Diese technischen Fortschritte verbesserten den Komfort und die Pünktlichkeit, was insbesondere in der geschäftigen Weihnachtszeit von großer Bedeutung war. Elektrische Züge waren schneller, effizienter und boten mehr Komfort, was das Reisen während der Weihnachtszeit erheblich erleichterte. Besonders die Berliner S-Bahn, die ab 1929 elektrisch betrieben wurde, ermöglichte es vielen Bewohnern der Stadt, ihre Verwandten in den Vororten schnell und unkompliziert zu besuchen.


Auch der Versandhandel, der in den 1920er Jahren wuchs, profitierte von der Eisenbahn. Unternehmen wie das Warenhaus Hermann Tietz (später bekannt als Hertie) nutzten die Eisenbahn, um Pakete mit Geschenken und Lebensmitteln an Kunden in ganz Deutschland zu verschicken. Diese Entwicklung trug dazu bei, dass Weihnachten zunehmend auch für die Arbeiterklasse ein Fest des Gebens und Schenkens wurde.


#### Die emotionale Verbindung: Eisenbahn und Heimkehr


Für viele Deutsche war und ist die Eisenbahn untrennbar mit dem Gedanken der Heimkehr verbunden. Besonders zu Weihnachten symbolisierte der Zug die Reise zurück zur Familie und zu den Wurzeln. Literarische Werke und Filme dieser Zeit greifen dieses Motiv häufig auf. Die Heimfahrt mit dem Zug durch verschneite Landschaften wurde zu einem romantischen Bild, das die Sehnsucht nach Geborgenheit und Gemeinschaft ausdrückte.


Bahnhöfe, die oft als kalte und funktionale Orte wahrgenommen wurden, verwandelten sich in der Weihnachtszeit in geschäftige, emotionale Zentren. Hier fanden herzliche Begrüßungen statt, und die festlich geschmückten Wartehallen erinnerten an die besondere Bedeutung dieser Jahreszeit. In Zeitungsartikeln und Berichten aus den 1920er Jahren, wie etwa im "Berliner Tageblatt" oder der "Vossischen Zeitung", wird von überfüllten Zügen und hektischen Szenen an den Bahnhöfen berichtet, aber auch von der Freude über das Wiedersehen mit geliebten Menschen.


#### Fazit


Von ihren Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre war die Eisenbahn ein zentraler Bestandteil des deutschen Weihnachtsfests. Sie brachte Menschen zusammen, sorgte für die Verteilung von Bäumen, Geschenken und Lebensmitteln und wurde zu einem Symbol für die Heimkehr und Gemeinschaft. In einer Zeit, in der Reisen noch ein Abenteuer war, verlieh die Eisenbahn der Weihnachtszeit einen besonderen Zauber, der bis heute nachklingt.

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